Rückblick

Paul Jaray –
die Vernunft der Stromlinie

Anlässlich des 100. Jubiläums der Entstehung des ersten Automobils in wissenschaftlich begründeter aerodynamischer Gestalt widmet das Kunsthaus Dahlem dem Industriedesigner und Universalgelehrten Paul Jaray (1889-1974) die erste monografische Ausstellung in Berlin. Sein Ley Prototyp von 1922 revolutionierte nicht nur das Automobildesign.
Unser Nachbau vom Rekordwagen der Auto-Union Typ-B, (1935) wird im Kunsthaus Dahlem ausgestellt.
Zeitraum:
29. April bis
3. September 2023
Die Ausstellung wurde konzipiert vom Arsenale Institute for the Politics of Representation, Venezia. Die Ausstellung wird gefördert von der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung.

Weitere Informationen zur Ausstellung im Kunsthaus Dahlem:
www.kunsthaus-dahlem.de

Ankunft in Venedig

© Fotos: Wolfgang Scheppe

Über Paul Jaray

Paul Jaray (1889–1974) war in den frühen 1920er-Jahren der erste, lange auch der einzige und führende Pionier der Aerodynamik des Automobils. So geht auf dessen Forschung und Konstruktion auch die ikonische Form der Zeppelin-Luftschiffe zurück.

Der in Wien geborene Erfinder, der aus einer der ältesten jüdischen Gelehrten- und Künstlerfamilien stammte, starb 1974 mittellos und anonym in der Schweiz, ohne dass ihm sein Wohnort St. Gallen am Bodensee auch nur eine Todesannonce gewidmet hätte. Der Umstand des Verlusts seines Rufs ist erklärungsbedürftig, zumal der überaus produktive Erfinder grundlegender Entwicklungen Innovationen schuf, die bis heute den Alltag technischer Erscheinungen durchdringen, ohne dass deren Autorschaft freilich je erkannt oder respektiert worden wäre.

Seine wissenschaftlichen Ergebnisse zur Strömungsmechanik für bodengebundene Fahrzeuge wurden vom faschistischen NS-Regime in Deutschland vor allem für die Propagandaschlachten im Feld der großen automobilen Spektakel benutzt. Dies gilt vor allem für die Renn- und Rekordwagen der so genannten Silberpfeile, insbesondere die der Auto-Union, und das Konzept des „Kraft-durch-Freude“ Volkswagens, später Käfer genannt. Bei all diesen Fahrzeugen geht die zur Verringerung des Luftwiderstands optimierte Form auf Jarays Erkenntnisse und Patente zurück.

Da es der damaligen politischen Herrschaft in Deutschland unerträglich erschien, diese futuristischen Karosserien, die mit der Schaffung nationalistischer Mythen verbunden waren, einem Juden zuzuschreiben, entfernte man seinen Namen aus dem öffentlichen Bewusstsein und weitgehend auch aus der Geschichte der Ingenieurwissenschaft. Gleichzeitig ignorierten viele Automobilhersteller unter opportunistischer Bezugnahme auf die politische Etablierung des systemischen und institutionellen Rassismus seine Patentrechte und eigneten sich seine Erfindungen ohne Nennung der Urheberschaft an. Die rationalen und mathematisch begründeten Formen Jarays, die einerseits vom Publikumsgeschmack abgelehnt wurden, andererseits das Bedürfnis der Autohersteller nach wiedererkennbaren Markenidentität ignorierten, verbreiteten sich trotzdem mit zunehmender Berücksichtigung aerodynamischer Gesetze und nahmen den Charakter des Generischen und Gewöhnlichen an.

Eine seiner schönsten und konsequentesten Karosserieformen, die immer noch einer utopischen Vision entsprungen zu sein scheint, betraf den vollverkleideten Rekordwagen Auto-Union Typ-B von 1935, die sogenannte Rennlimousine. Sie wurde nur ein einziges Mal für einen erfolgreichen Rekordversuch auf der Autobahn Firenze-Mare bei Lucca am 15. Februar 1935 eingesetzt, weshalb sie auch Lucca-Wagen genannt wurde. Mit dem Fahrer Hans Stuck erreichte sie als erstes Automobil auf einer normalen Straße fast 300 km/h und errang dabei zwei Weltrekorde.
Informationen zur Ausstellung in Venedig
Architecture of Speed
Fotos Transport
Wolfgang Scheppe (www.arsenale.com)
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur auf Beschluss des Deutschen Bundestages.

Kontakt

Meisterschule für
Karosserie- und Fahrzeugbau
Hauptstraße 21
04703 Leisnig